Verwaiste Eltern

Zeit des Abschieds

Wenn Du über Dein Kind nachdenkst

Wenn Du über Dein Kind nachdenkst,
bleibe nicht bei den einzelnen Erinnerungen stehen.
Frage Dich vielmehr, was es Dir
mit seinem Leben eigentlich vermitteln wollte,
was die Botschaft ist, die es Dir sagen möchte.
Welche Spur hat es in diese Welt eingegraben?
Dabei ist es völlig gleichgültig, wie alt Dein Kind war,
als es gegangen ist, ob es vielleicht schon im Mutterleib gestorben ist.
Es geht nicht darum, das Kind loszulassen,
welche Mutter, welcher Vater könnte sei geliebtes Kind loslassen!?
Es geht darum herauszufinden, was die Botschaft dieses Kindes für Dich war,
wie hat es Dich verändert,
wie viel Liebe ist in Dir gewachsen,
was hat also Dein Kind aus Dir herausgeliebt?
Wie viel neue Liebe ist in Dir gewachsen.
Dein Suchen wird Dir helfen,
die Spur Deines Kindes in Dich aufzunehmen
und weiter zu tragen.

Anselm Grün

In dieser schweren Zeit des Abschieds kann ein Gespräch mit anderen Eltern, die diese Situation durchlebt haben, eine große Hilfe sein. Hierzu sind wir gerne bereit. Unsere Gruppe der verwaisten Eltern trifft sich regelmäßig.

Auch auf Elternabenden sind verwaiste Eltern immer herzlich willkommen. Wir können alle voneinander lernen.

Kein Weg ist richtig und keiner verkehrt. Jeder empfindet anders. Doch spüren musst Du.

 

Bericht eines Vaters - Die wirklichen Marathonis -

Vor knapp 2 Jahren bin ich mit dem Laufen angefangen. Eigentlich weiß ich gar nicht wie das kam. Nur noch soviel, dass ein anderer verwaister Vater mir einen Schmierzettel gab, auf dem ein Laufplan gekritzelt war. Dieser sagte aus, dass man als ungeübter Läufer nach 4 Wochen in einem Stück 45 min laufen kann.“Wer der Autor“ dieses handgeschriebenen Planes war oder ist, habe ich bis heute nicht in Erfahrung bringen können. Nur soviel: Ich habe es versucht – und lief nach 4 Wochen 45 min. Dieses baute ich immer weiter aus, bis zum Halbmarathon. Diverse Verletzungen ließen mich immer wieder pausieren. Irgendetwas zwang mich aber auch immer wieder erneut anzufangen, obwohl ich gar keine Lust mehr hatte.

Hier kamen mir die ersten Zweifel, ob ich mich eigentlich selber lenke?? Die Strecken wurden immer und immer länger. Aber ich nicht schneller. Dafür müsste ich dann wohl mit dem Rauchen aufhören. Das wollte ich nun überhaupt nicht. Das ging dann aber auch zu weit, eher würde ich mit dem Laufen aufhören, aber nicht mit meiner “ geliebten Zigarette“. Aber da war mir eigentlich im Unterbewusstsein schon klar, dass auch diese Endscheidung nicht mehr bei mir lag. Was soll ich sagen , seid 15 Monaten rauche ich nicht mehr. Damit war die Grundvoraussetzung für Dauerbelastungen gelegt.

Nun fast 10 Jahre nach dem Tod unseres Sohnes Fabio, habe ich mir gedacht, meinen Laufsport mit etwas Nützlichen zu verbinden. Ein Wunsch von mir war immer, einmal in der „Königsdisziplin-Marathon „zu laufen. Also sollte mein erster Marathon auch einen guten Zweck dienen.

Am 16.05.2010 bot sich dann die Gelegenheit, dieses auch einmal zu tun, anstatt immer nur davon zu träumen, und dann auch noch in Wilhelmshaven. Und gerade weil es mein erster Marathon war, wollte ich diesen unbedingt zu Gunsten unseres Vereins laufen ! So, da stand ich nun mit der Startnummer 211 auf der Start und Zielgeraden des Gorch-Fock-Marathons in Wilhelmshaven und wartete auf den Startschuss für meinen ersten Marathon. Nicht allein, sondern in Gedanken lief ich mit meinem verstorbenen Sohn Fabio.

Es war Sonntag, der 16.Mai 2010. Wie lange ich für diese verrückten 42,195 km letztendlich brauche würde, wusste ich nicht. Ich versuchte abzuschalten, konzentrierte mich auf die Trommler, die für Stimmung sorgten. Ich stand im Startfeld, wo bereits alles überfüllt war. Aber immer ruhig bleiben, ich brauchte meine Kräfte noch. Meine Familie ließ sich meinen Lauf auch nicht entgehen, und stand in der Zuschauermenge. Immer wieder ging mir die Zeit von 4:20 Stunden durch den Kopf. In der Zeit, hatte ich mir vorgenommen, möchte ich es schaffen. Allerdings wäre ich froh, wenn ich es überhaupt schaffen würde, weil ich mit einer Nagelbettentzündung und einer Sehnenentzündung unter dem Fuß an den Start ging. Meine Frau Ilona tobte wegen meiner Unvernunft, verarztete mich aber trotzdem noch einmal kurz vor den Start. Als um halb zehn der Startschuss fiel, wusste ich das ich „nicht alleine startete“. Plötzlich überkam mich wieder“ diese angenehme Wärme“ und in mir verbreitete sich absolute Ruhe. Ich war ganz, ganz tief bei mir – bei ihm- wir waren zusammen. Ich fing überglücklich an zu lächeln und startete. Das lag nicht nur daran, das ich das Gefühl hatte, Fabio ist bei mir, sondern auch an den Umstand, das Sport Spaß machen sollte. Aber es wäre natürlich vermessen zu behaupten, dass ich aus lauter Spaß an der Freud meinen ersten Marathon auf den Asphalt legte. Tatsache war, dass ich Bammel hatte, und das nicht erst seit der Nacht vor dem Wettkampf. Denn ich hatte nichts zu verlieren, ich konnte nur gewinnen, egal in welcher Zeit ich diese Strecke bewältigte. Aber eins wusste ich, ich komme durch, weil ich nicht „alleine“ war. Der Pulk setzte sich langsam in Bewegung. Ein tolles Gefühl, die Zuschauer am Rand, die Stimmung und da war auch meine Familie, die mir zu jubelte und Fotos machten. Was um mich herum passierte, nahm ich kaum wahr. Gedankenversunken lief ich langsam los, denn die Läufer waren noch dicht gedrängt. Viele hatten richtig Spaß dabei und machen Gaudi. Wollte gerne wissen, ob wir alle durchkommen würden. Bei mir stellte sich aber die Frage, ob ich es schaffen könnte..

Ich hatte zwar 10 Wochen gut trainiert und in denen auch ca. 500 km gelaufen. Dann aber 2 Wochen vorher, eine Verletzungen am Fuß und seit dem „ärztlich verordnete Laufpause“. Die ersten 15 km gingen hinaus zum Südstrand. Dort liefen wir „Richtung Fischerdorf“. Jetzt kilometerlanges “ nur geradeaus“ am Wasser. Hier, wie sollte es anders sein, blies ein starker Wind, der einen die Kraft nahm. Ein Blick auf meinen Pulsmesser zeigte mir, dass ich noch immer in einem guten Bereich lag. Die Strecke führte uns weiter Richtung Mole, dann in den Marinestützpunkt- dort die Wende Richtung – KW.-Brücke und der Wind kam „schön von vorne“. Mit meinen Lieben hatte ich eine Zeit von 2 Stunden für die ersten 22 Kilometern ausgemacht. Danach lag ich gut in der Zeit, für die restlichen 20 Kilometer. Ich fühlte mich richtig gut. Die ganzen Leute, die gekommen waren, machten Mut und feuerten an. Der Lauf war zu diesem Zeitpunkt noch ein wahrer Genuss und alles andere als anstrengend. Dann waren plötzlich alle Läufer vor mir verschwunden. Vor mir sah ich nur noch Besucher und hinter mir sind die restlichen Läufer in einem so großen Abstand hinterher, dass ich sie durch die Besucher nicht mehr sehen konnte. Ja, da sah ich meine Rettung, meine Frau, die Kinder und meine Schwester und Schwiegermutter standen wie abgesprochen bei Kilometer 25 – mit meinen Trinkgürtel. Schnell eine Banane und was zum Trinken in die Hand. Der kleinen Tochter wurde noch kurz ein Kuss gegeben.

Danach konnte es weiter gehen. Dann kamen mir auch schon die ersten Läufer bei Kilometer 30 entgegen. Die Gesichter, waren gezeichnet von Krämpfen und sicherlich auch von der Enttäuschung. Die haben es nicht geschafft, dachte ich mir, aber einige der Läufer die auch ganz fertig aussehen, werden es trotzdem schaffen. Es kamen sehr schlimme Erinnerungen an Fabios Therapiezeiten in mir auf.

Durch heftige Sambatrommel wurde ich bei ca. Kilometer 31 aus meinen Ängsten gerissen. Ich passierte die Stelle wie in Trance und war total ergriffen. Als ich dann wieder am Südstrand war, ließen die Kräfte nach. Hier kam wieder der Wind von vorne und zollte seinen Tribut. Vor mir stand ein Läufer und schrie vor Schmerzen. Ein sich nicht mehr lösender Wadenkrampf zwang auch ihn zu Aufgabe. Mich durchfuhr ein Gedanke des Grauens. Meine rechter Schuh vorne fühlte sich feucht an.“Die Wunde ist wieder auf“. Sofort fingen sehr starke Schmerzen an. Noch 10 km und davon acht im Gegenwind. und niemand da, der anfeuerte. Es war wahnsinnig anstrengend, dabei wurde ich immer langsamer und mein Fuß fing immer mehr zu schmerzen an. Peng aus- ich stand – bei km 32. Der „berühmte Mann mit dem Hammer“ hatte mich. Dabei fragte ich mich aber gleichzeitig: Bin ich jetzt denn schon sehr weit gekommen oder habe ich noch sehr viel vor mir? Ich kam schließlich zu der Erkenntnis, dass ich noch ein enormes Stück vor mir hatte und das im Gegenwind. Also aus?

Ja, diese Entscheidung wurde bestärkt – die ersten Muskelkrämpfe stellten sich ein – meine Schuhe schnürten mir das Blut in den Füssen ab. So langsam merkte ich auch Schmerzen aufkommen in Muskeln, wo ich vorher nicht einmal wusste, dass ich diese hatte. Die Schmerzen wurden immer stärker und mein Pulsschlag ging auf über 170 Schläge.

10 km hätte ich noch vor mir gehabt, um meinem großen Ziel näher zu kommen (einen Marathon zu Ende zu laufen). Erst jetzt kam mir der Gedanke, dass ich mich hinter der 32 km Marke befand und mich damit in ein absolutes Neuland hinein bewegte. Noch nie war ich so weit gelaufen. Ich merkte, dass hinter der Schallmauer von 30 km alles seine eigenen Gesetze hatte und so manches anders war.

Allerdings gab es hier unten am Deich, außer Schafen, keine Zuschauer, die Beifall klatschen oder anfeuerten, so war das aufgegeben „so schön einfach“. Es gab nur die Sonntagsausflügler, die uns teilweise wie ein paar Verrückte belächelten, was wir sicherlich auch irgendwie waren. Mein „Innerer Schweinhund“ hatte eigentlich die besseren Argumente : „Für wen mache ich das und was bringt es mir“? Es stimmte, ich hatte nichts zu verlieren und jeder würde sagen „32 km, die schafft nicht jeder“. Nun, ich würde es mir auch verzeihen so weit vom dem Ziel doch gescheitert zu sein, warum tue ich mir das überhaupt an? Und so kämpfte ich nicht mehr weiter und sehnte mich nach einer Verpflegungsstelle.

Plötzlich lief es mir eiskalt den Rücken runter. Was?????? Ich habe nichts zu verlieren??? Für wen mache ich das??? Was bringt mir das??? Wozu kämpfen??? Warum tue ich mir das an ???

Ich schämte mich auf einmal maßlos- welcher Elternteil hat nicht in der Therapie sein Kind, auch wenn es nicht mehr wollte/konnte zum durchhalten aufgefordert??? Ich habe es getan- und für wen laufe ich??? Für eben diese Kinder!!!! Und dann stelle ich mir solche Fragen???

Ich wollte im Erdboden versinken vor Scharm und hatte das Gefühl, das alle Welt mir das auch ansah.
Unsere Kinder kämpfen jeden Tag gegen eine schreckliche Krankheit – mit Chemotherapie, Bestrahlungen, Haarausfall, Stanzungen, Operationen, Tabletten, Blutentnahmen, Schmerzen, Erbrechen, Ängsten, Isolationen…………….. das ist MARATHON- und ich weine schon beim ersten Weh-wehchen und gebe auf?

Nein Fabio, du hast recht- heute nicht. Das wird heute unser größter Sieg – über mich selbst.

Ich versuchte anzulaufen, doch die Krämpfe und das Muskelzucken waren in meinem Kopf verbildlicht. Das versuchte ich mit einem Schrei beim Anlaufen zu überwinden und kam nur sehr langsam ins Laufen. Wie bei einer alten Dampflokomotive setzen sich meine schmerzenden Beine noch einmal in Bewegung. Die Schmerzen versuchten noch einmal mich zum Anhalten zu bewegen, doch der innere Schweinehund hatte keine Argumente mehr.

Mir war klar wofür ich lief – die Kinder unseres Vereins haben es mir vorgemacht. Kämpfen lohnt sich immer. Wer nicht kämpft hat schon verloren. Ab Kilometer 37 verspürte ich dann überhaupt keine Schmerzen mehr, weil ich wusste, dass wir es schaffen werden. Das Glücksgefühl siegte. Danach passierte ich wie im Traumzustand den Kilometer 42. Nur noch knapp 200m . Es war ein so schönes Gefühl, das sich mit Worten nicht beschreiben lässt.

Im Zieleinlauf entdeckte ich meine Frau und meine Kinder, meine Schwester, Bruder, Schwiegermutter, Arbeitskollegen, die mich begeistert empfingen und mir zu jubelten. Sie hatten alle an mich geglaubt. Dann riss ich meine Arme hoch. Es war geschafft. Vor lauter Glück und Freude sind alle Strapazen und Schmerzen, wie weggeblasen.

Meinen ersten Marathon möchte ich den wirklichen Marathonis widmen: “ Den Kindern unseres Vereines“

Geschichten, Märchen und Gedichte

Hier sollen aufmunternde, fröhliche und auch traurige Geschichten, Märchen, Gedichte und Sprüche erscheinen, die uns begleiten sollen, die uns helfen die traurige Zeit zu überstehen und uns möglicherweise Mut machen für die Zukunft.

Wir haben die nicht verloren,
die unsere Welt verlassen.

Augustinus

Der Segen der Trauernden
Gesegnet seien alle, die mir jetzt nicht ausweichen.
Dankbar bin ich für jeden, der mir einmal zulächelt
und mir seine Hand reicht, wenn ich mich verlassen fühle.
Gesegnet seien die, die mich immer noch besuchen,
obwohl sie Angst haben, etwas Falsches zu sagen.
Gesegnet seien alle, die mir erlauben
von dem Verstorbenen zu sprechen.
Ich möchte meine Erinnerungen nicht totschweigen.
Ich suche Menschen, denen ich mitteilen kann,
was mich bewegt.
Gesegnet seien alle, die mir zuhören,
auch wenn das, was ich zu sagen habe,
sehr schwer zu ertragen ist.
Gesegnet seien alle, die mich nicht ändern wollen.
sondern geduldig so annehmen, wie ich jetzt bin.
Gesegnet seien alle, die mich trösten
und mir zusichern, daß Gott mich nicht verlassen hat.
Oh Herr, birg Du uns alle in Deiner Hand;
nimm Du Dich unserer an.
Bei Dir bleiben wir –
ganz gleich, ob wir noch leben oder schon gestorben sind.

Marie-Luise Wölfing
Kleve 1986

 

Wenn Du an mich denkst,
erinnere Dich an die Stunde,
in welcher Du mich am liebsten hattest.

Rainer Maria Rilke

 

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag,
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

Dietrich Bonhoeffer

 

Dich zu küssen, ohne Dich zu berühren,
Dir etwas zu sagen und nicht sicher zu sein,
dass Du es auch hörst.
Dich zu umarmen, ohne dass Du da bist.
Das ist SEHNSUCHT

Verfasser unbekannt
www.leben-ohne-dich.de